218 Neue Geschichte. 2. Periode. Dreißigjähriger Krieg.
schreiben sich weigerten, die andern sie aber deshalb ausschalten; ja, es fehlte wenig, daß es zum Blutvergießen gekommen wäre; denn einige zogen den Degen und bedrohten die Weigernden damit, so daß die Unterzeichnung endlich vor sich ging. Dem Herzoge war diese Uneinigkeit unangenehm und er äußerte, daß er jedem, der da glaube, daß etwas gegen den Kaiser im Werke sei, zurückzutreten erlaube. Dieser selbst, als er von der Sache erfuhr, legte ihr eine erhebliche Bedeutung nicht bei.
Dennoch benutzten seine Feinde jene Versammlung in Pilsen, um ihn zu stürzen. Graf Octavio Piccolomini, ein falscher Italiener, Oberst in kaiserlichen Diensten, genoß Wallensteins vorzügliches Vertrauen, weil dieser aus den Sternen zu wissen glaubte, daß der Graf sein Freund sei. Dieser Mann nun hatte zwar jenen Revers mit unterschrieben, wurde aber doch zum Verräther. Er schickte im Verein mit einigen andern gegen Wallenstein feindlich gesinnten Männern einen Boten insgeheim nach Wien, gab dem Kaiser einen übertriebenen Bericht von jener Versammlung, erzählte. Wallenstein habe bereits die Schweden zu Hülse gerufen, und fügte hinzu, es sei kein anderes Mittel übrig, als „den Scor-pion auf der Wunde, die er gemacht habe, zu vernichten." Zugleich erschien auch General Aldringen, der in Pilsen nicht mit unterschrieben hatte, in Wien und berichtete gleichfalls zu Ungunsten des Herzogs; auch Kurfürst Maximilian von Baiern schickte einen Gesandten nach Wien, der gegen Wallenstein Ränke schmieden mußte, und nun bestürmte die spanische Partei, zu der auch diejenigen Generale und Obersten sich schlugen, die bei der Fortsetzung des Krieges ihre Rechnung fanden, den Kaiser. Der spanische Gesandte drängte zu einer Entscheidung; es sei nothwendig, den Wallenstein auf eine oder andere Art unschädlich zu machen. Ferdinand, ein schwacher Mann, ließ sich bereden, ein an alle Generale, Obersten und andere kaiserliche Offiziere gerichtetes Patent (24. Januar 1634) zu unterzeichnen, daß er sich genöthigt sehe, eine Veränderung im Obercommando vorzunehmen, und daß er es dem General Gallas übertrage; zugleich machte er denen, die in Pilsen unterschrieben hätten, bekannt, daß er ihnen verzeihe, mit Ausnahme Wallensteins, Jllo's und Trczkas. Dieses Patent wurde heimlich erlassen, so daß also Wallenstein nicht einmal Gelegenheit hatte, sich zu rechtfertigen. Es wurde dem General Gallas zugeschickt, mit dem Befehle: „sich des Friedländers zu bemächtigen und ihn mit seinen vornehmsten Anhängern, dem Jllo und Trczka,
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Wladislaus Ostrowski. Drebitsch-Sabalkanski.
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begleitet, nach dem Gebäude, in welchem die Regierung ihre Sitzungen hielt, stieg ab und trat mit den Adjutanten in den Saal. Man überreichte ihm sogleich die schon bereitliegende Ernennung zum Oberbefehlshaber; er aber warf die Schrift auf den Tisch und rief: „Ich will keine Ernennung! Da ich sehe, daß keine Einigkeit in der Regierung ist, so ergreife ich die Dictatur und erkläre den, welcher mir nicht gehorcht, für einen Verräther; nur das Wohl des Vaterlandes werde ich bei meiner Handlungsweise befragen!" So verließ er als Dictator den Saal, in welchem alle stumm und bestürzt ihm nachsahen. Dann ritt er nach dem Platze, auf welchem die Soldaten versammelt waren, theilte ihnen das Geschehene mit und wurde mit einem rauschenden Lebehoch begrüßt. Vielleicht hätte Chlopicki, wenn man ihm nicht entgegenarbeitete, nach und nach die Polen wieder zur Mäßigung bringen und mit dem Kaiser wieder versöhnen können. Aber dazu war die Aufregung des leicht entflammten Volks zu groß, das in seinem eiteln Wahne schon von der Besiegung der Russen und von Unabhängigkeit träumte. Nachdem die Revolution sich durch ganz Polen verbreitet hatte, versammelte sich der polnische Reichstag. Chlopicki, welcher mit seinen friedlicheren Ansichten und Vorschlägen nicht durchdrang, legte seine Dictatur nieder und trat als gemeiner Soldat in das Heer. Der Reichstag schritt zu den äußersten Maßregeln vor und erklärte das russische Regentenhaus des polnischen Thrones für verlustig.
Anfangs suchten sich die Besonnenern von dem Unternehmen, dessen traurige Folgen sie vorhersahen, zurückzuhalten; aber die allgemeine Begeisterung riß die meisten mit in den Strudel hinein. So den Grafen Wladislaus Ostrowski. Der Reichstag wählte ihn zum Reichstagsmarsch all. Anfangs weigerte er sich, die ver-hängnißvolle Stelle anzunehmen; da umringten ihn alle Mitglieder und trugen ihn auf den Marschallsstuhl. Er war der erste, der, an die Leere des Schatzes erinnernd, erklärte, er werde alle seine Pferde an das Heer abliefern und täglich zu Fuß in die Versammlung kommen; es sei nöthig, daß jeder allem Luxus entsage, und er forderte alle auf, freiwillige Beiträge zu unterzeichnen. Das geschah auch sogleich; mit Bereitwilligkeit gaben alle bedeutende Summen her.
In Rußland war der Unwille über den polnischen Aufstand allgemein. Kaiser Nikolaus ernannte den Grafen Diebitsch-Sabalkanski zum Oberbefehlshaber, forderte aber, ehe der Krieg
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Krieg mit China. Japan.
merpalastes Hier-frags*) und Besetzung der nördlichen Vorstädte und Thore der Hauptstadt, worauf unter Vermittelung des russischen Gesandten Jgnatiew, am 24. October eine Zusatzübereinkunft zu dem Friedensvertrage von Tien-tsin abgeschlossen und die Ratification sofort ausgewechselt wurde.
Während China von einem inneren, durch die Händel mit England beförderten Zersetzungsproceß zu neuem Leben vorbereitet wird, ist auch Japan, dieses räthselhaste Reich, das seit mehr als zwei Jahrhunderten den Europäern eifersüchtig seine Grenzen
*) Nichts gleicht der Pracht dieses Palastes. Der Eingang zur Empfangshalle ist mit Marmor gepflastert, Wände und Decken sind mit Gold, Himmelblau und Scharlach in dem prachtvollsten Styl gemalt. Der Thron des Kaisers ist aus dem schönsten dunkeln Holze geschnitzt, die Polster sind mit goldenen Drachen bestickt und zogen die allgemeine Bewunderung auf sich. Eine goldene Krücke, deren sich der Kaiser bedient zu haben scheint, fand sich gleichfalls vor. Die inneren Zimmer und Salons waren prachtvoll ausgestattet. Rollen von Seidenzeug, Satin und Krepp, alle von glänzender Arbeit waren von den französischen Soldaten bereits' wüst durch einander geworfen worden. Geschirr aus Jaspis und Porzellan von großem Werthe fand man vor und darunter auch manches Sevresgeschirr aus Ludwig Xiv. Zeit, das die Augen von Curiositätensammlern höchlich erfreut hätte; ein Staatsschwert mit dem englischen Wappen und mit Steinen besetzt, offenbar von hohem Alter, wurde Gegenstand vielen Nachdenkens. Die ungeheure Menge von Beute aller Art machte es fast unmöglich, das zu berechnen, was die Franzosen forttrugen. Einigen Begriff von der Menge von Seiden-Borrath kann man sich machen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Geflügel, alte Töpfe und allerlei Gegenstände in die kostbarsten Satins gewickelt wurden. Alle Frauen waren verschwunden, doch liefen ihre kleinen japanesischen Hunde, die den Pinschern König Karls gleichen, in trübseliger Stimmung umher. Bei der Plünderung des kaiserlichen Sommer-Palastes, wobei sich die Franzosen, zum großen Aerger der Engländer, den besten Theil vorbehielten, fiel eine große Menge Juwelen, Uhren u. dgl. in die Hände der ersteren, von denen man sie später zu Spottpreisen kaufen konnte. Es gab gemeine Soldaten, die ihren Antheil für 20—30,000 Fr. verschacherten. Die Offiziere, vom General angefangen, sollen sich ebenfalls sehr bereichert haben. Ein Tagesbefehl des britischen Oberbefehlshabers sprach hierauf den Wunsch aus, daß alle von i>en Offizieren und Soldaten erbeuteten Gegenstände zum Besten der Armee versteigert werden sollten. Allen wurde gestattet, jene Artikel, die sie selber erbeutet, einer Schätzung zu unterwerfen, und ihnen die Wahl gelassen, dieselben entweder zu behalten oder wegzugeben. Auf solche Art kamen 200,000 Thlr. zusammen. Der Oberbefehlshaber und die englischen Generale verzichteten aus ihren Antheil; ersterem machte die Armee einen goldenen Krug von großem Werthe zum Geschenk. Der Anblick, welchen die Versteigerung darbot, die im Tempel Kama-Siri abgehalten wurde, soll einzig in seiner Art gewesen jein und würde noch größeres Interesse dargeboten haben, wenn die Franzosen nicht schon früher drei Viertel der Kostbarkeiten, mit denen der Palast angefüllt war, weggeschleppt owr zerstört hätten.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Karls
Extrahierte Ortsnamen: China Japan China England Japan Ludwig_Xiv Karls
T
Krönungsact. Einzug in Berlin. 339
ders für die Durchführung seiner klar erkannten Aufgabe als Preußens Herrscher — alles Gedanken und Gefühle, welche durch eine so schwere Erfahrung, wie die des Attentates sich noch mehr vertiefen mußten — erhoben in der Seele König Wilhelm I. das Verlangen, sich die Weihe der Krönung zu geben. Diese Krönung, die erste seit Friedrich I., fand am 18. October 1861 zu Königsberg statt. Es zeigte den hohen Sinn des Königs an, daß er selbst die Krone vom Altare nahm und sie auf sein Haupt setzte, worauf er seine Gemahlin, die Königin Auguste, mit der Krone schmückte. Mit dieser feierlichen Handlung zeigte der König an, daß er das Königthum als von Gottes Gnaden empfangen betrachte, daß er festhalte an den Ueberlieferungen seiner Vorfahren und daß er willens sei, den Glanz der preußischen Krone imnjer höher zu erheben. Am 21. October hielt er dann einen feierlichen Einzug in Berlin.
Die nächsten Jahre entsprachen nicht dem Glanze der October-tage in Königsberg; sie konnten damals nur als eine böse, schwere Zeit empfunden werden. Erst die späteren Ereignisse warfen die Strahlen eines richtigen Verständnisses auf jene läuternden und, trotz dem Scheine des Gegentheils, doch befestigenden Kämpfe. Der König hatte am 14. Januar 1862 bei Eröffnung des Landtages gesagt: „die Lage Europas fordert einmüthiges Zusammenwirken zwischen mir und meinem Volke. Ich zähle auf die patriotische Unterstützung seiner Vertreter." Aber die deutsche Fortschrittspartei, welche mit großem Uebergewicht aus den Wahlen zu diesem Landtage hervorgegangen war, wandte ihren Sinn abseit von diesen Worten des Königs auf die Erweiterung der Rechte des Volkes. Das Abgeordnetenhaus wurde am 11. März aufgelöst, der erkrankte Fürst von Sigmaringen legte den Vorsitz im Ministerium nieder, welchen der Prinz von Hohenlohe übernahm. Die liberalen Minister traten zurück, aber auch das neue Ministerium, dessen eigentlicher Leiter der Finanzminister von der Heydt war, blieb nicht lange an der Spitze der Staatsgeschäfte. Denn es kam zu einem völligen Bruche zwischen der Regierung und dem Abgeordnetenhause. Der König, der mit seinem soldatischen Sinne die genaueste Kenntniß der Militäreinrichtungen Preußens und auch -der Nachbarmächte verband, hegte die Ueberzeugung, daß Preußen ohne eine Neugestaltung seines Heeres nicht im Stande sein werde, bei politischen und kriegerischen Verwickelungen seine Machtstellung zu behaupten. Sofort nach seinem Regierungsantritt begann er
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340 Neueste Geschichte. 3. Periode.
seine lange überdachten Pläne auszuführen. Die Armee wurde verstärkt und umgebildet, das Abgeordnetenhaus aber strich die dadurch entstehenden Mehrausgaben im Budget. Nun ernannte der König, 23. Septbr. 1862, den bisherigen Gesandten in Paris, Herrn von Bismarck-Schönhausen zum Ministerpräsidenten. Mit großen Zielen trat er in seine Laufbahn.
Daß Preußens Stellung neben Oestreich im deutschen Bunde auf die Länge nicht fortdauern könne, daß Oestreich aber niemals willig Preußen den Vorrang einräumen werde, war ihm in seiner früheren Stellung als Gesandter am Bundestage gewiß geworden. Ein Krieg, früher oder später, erschien ih^n unvermeidlich. Mit Kraft und Beharrlichkeit hielt auch er an der vom Könige beschlossenen Armee-Reorganisation fest, und sie wurde von dem Kriegsminister von Roon durchgeführt. Die Opposition des Abgeordnetenhauses blieb ebenso unbeugsam auf ihrer Verweigerung der Geldmittel für die Militärreform und erklärte, als diese dennoch vollendet wurde, die Verfassung für verletzt. Das ganze Land wurde von diesem Conflicte, der unabsehbar erscheinen mußte, ergriffen und bewegt. Die Lösung kam erst mit dem Eintreten auswärtiger Verwickelungen.
d. Auch Oestreich hatte eine Reihe schwerer Kämpfe zu bestehen.
Der italienische Krieg hatte es in dem Momente überrascht, als es gerade hoffnungsvolle Anstrengungen machte, seine Finanzen zu ordnen, welche nun in Folge desselben in eine beklagenswerte Verwirrung geriethen. Die Mißstimmung war allgemein und ihr fielen Minister Bach und später auch der erste General-Atzjutant, Graf Grünne, zum Opfer. Untersuchungen wegen der schlechten Truppenverpflegung wurden eingeleitet und führten einen Proceß gegen den höchsten Militärbeamten, Feldmarschall-Lieutenant von Eynatten herbei, welcher sich selbst das Urtheil sprach, indem er sich im Gefängniß erhängte. (8. März 1860.) Bald vernahm man, dyß der Director der östreichischen Creditanstalt, Richter, verhaftet sei und das Erstaunen über diese Vorgänge stieg bis zum Entsetzen, als am 23. April der berühmte Finanzminister von Bruck sich entleibte. *) — Solche Erscheinungen deuteten auf innere schwere
*) Man hielt Bruck für mitschuldig. Ein Jahr nach seinem Tode richtete Plener, sein Nachfolger, ein Schreiben an Bruck's Wittwe, in welchem seine Rechtschaffenheit und die Reinheit seiner Amtsführung bezeugt wurde. Bruck hatte in
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Rußland. Aufstand in Polen.
325
in dem durch Wühlereien und durch die Erfolge des Nationalitätsprincips in Italien zu sanguinischen Hoffnungen aufgeregten Polen. Lange vorbereitete Demonstrationen national-religiöser Art führten in den letzten Tagen des Februar 1861 in Warschau zu blutigen Conflicten und diese zu einer allgemeinen Gährnng, welche bei der Nachsicht des Statthalters, Fürsten Gortschakow, einen bedenklichen Charakter annahm. Die höheren Stände, an ihrer Spitze der Erzbischos von Warschau, richteten eine Adresse an den Kaiser und baten darin um Gewährung nationaler Einrichtungen in Kirche, Schule und Gesetzgebung. Ein kaiserlicher Ukas vom 27. März 1861 bewilligte die Einsetzung eines Staatsrathes für das Königreich Polen, Neugestaltung des Unterrichtswesens und andre Reformen. Ein bekannter politischer Patriot, der Marquis von Wielopolski, wurde in die Regierung berufen. Aber dieser Ansang zu einer staatlichen Neubildung Polens auf nationaler Grundlage im Anschluß an Rußland befriedigte nicht; man wollte nationale Unabhängigkeit. Die Aufregung dauerte fort und die Regierung sah sich daher wieder zur Strenge- genöthigt. Sie löste den sogenannten „Landwirtschaftlichen Verein" auf, welcher die Seele der ganzen Bewegung war, und als (7. April) abermals eine großartige Demonstration veranstaltet ward, kam es zu einem Conflict mit der bewaffneten Macht.
Jetzt flüchtete der * Aufruhr sich von den Straßen in die Kirchen und Wielopolski selbst beschuldigte die polnischen Priester in einem amtlichen Erlaß der strafbaren Agitation. Der größte Theil der Einwohnerschaft von Warschau legte Trauerkleider au; man trug nationale und religiöse Abzeichen, und in den Kirchen wurden national-religiöse Lieder gesungen. Graf Lamp ert, der Nachfolger des am 30. Mai verstorbenen Gortschakow, schritt hiergegen ein und verhängte den Kriegszustand über das ganze Königreich; nichtsdestoweniger ward der Todestag Kocziusko's (15. October) in Warschau in gleich demonstrativer Weise begangen, so daß das Militär die Kathedrale und die Bernhardinerkirche räumen mußte, worauf die. Geistlichkeit die Kirchen für entweiht erklärte und dieselben schloß. Die Regierung gab aber nicht nach, und General Lüders, welcher jetzt an Lamperts Stelle trat, ließ eine Anzahl der angesehensten Bürger verhaften. Auch der Bisthumsverweser wurde verhaftet und zum Tode verurtheilt, vom Kaiser aber begnadigt. Ein einfacher Priester, Felinski, wurde hierauf zum Erzbischof ernannt; er ließ die Kirchen wieder öffnen. Kaiser
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Der Feldzug in Böhmen.
361
„Soldaten Meiner Armee! Ich begebe Mich heute zu Euch, Meinen im Felde stehenden braven Truppen, und entbiete Euch Meinen königlichen Gruß. In wenig Tagen sind durch Eure Tapferkeit und Hingebung Resultate erfochten worden, welche sich würdig anreihen an die Großthaten unserer Väter. Mit Stolz blicke Ich auf sämmtliche Abtheilungen Meines treuen Heeres und sehe den nächsten Kriegsereignissen mit freudiger Zuversicht entgegen. Zahlreiche Feinde stehen gegen uns im Kampf. Laßt uns indeß auf Gott den Herrn, den Lenker aller Schlachten, und auf unsere gerechte Sache bauen! Er wird durch Eure Tapferkeit und Ausdauer die sieggewohnten preußischen Fahnen zu neuen Siegen führen."
Berlin, den 29. Juli 1866.
Wilhelm.
Am 2. Juli traf der König, begleitet von dem Grafen Bismarck und dem Kriegsminister v. Roon in Gitschin ein und übernahm sogleich den Oberbefehl über die vereinigten drei Armeen. Bald nach der Ankunft des Monarchen war ein Kriegsrath gehalten und beschlossen worden, den durch angestrengte Märsche und heftige Gefechte ermatteten Soldaten für den 3. Juli einen Ruhetag zu geben. So lebhaft auch der Entscheidungskampf herbeigewünscht wurde, so hielt man diesen für so nahe bevorstehend noch nicht, und selbst der König ahnte in diesen Stunden nicht, daß die Schlacht am nächsten Tage geliefert werden würde. Es war angeordnet worden, daß am 3. Juli um 9 Uhr Morgens das militärische Gefolge des Königs bereit sein solle, denselben zu einer Zusammenkunft mit dem Kronprinzen zu begleiten. Auch der König, von dem Wechsel der erhebenden und der schrecklichen Eindrücke der Reise hingenommen, suchte die Ruhe einiger Stunden. Aber diese Ruhe währte nur kurze Zeit. Prinz Friedrich Karl hatte an diesem Tage zwei Officiere ausgesendet, um die Stellung und die Bewegungen der Oestreich et zu recogttoscirert. Sie meldeten , daß der Feind in starken Massen auf dem rechten Elbufer vor Königgrätz sich festzusetzen scheine. Sogleich sandte der Prinz diese wichtigen Nachrichten in das königliche Hauptquartier. Als um 11 Uhr Nachts der General von Voigts-Rhetz bei dem Könige eintraf, wurde der General v. Moltke zu einer Berathung berufen. Der König beschloß, dem Angriffe des Feindes zuvorzukommen, und ertheilte dem Prinzen Friedrich Karl den Befehl, am nächsten Morgen die Oestreich er an der Königgrätzer Straße anzugreifen;
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Bismarck Friedrich_Karl Friedrich Karl Friedrich_Karl Friedrich Karl
Der deutsch-französische Krieg. Von Weißenburg bis Paris. 407
• zu seiner Erholung im Bade Ems. Er hatte als Familienhaupt dem Prinzen Leopold seine Genehmigung zur Annahme der spanischen Krone gegeben; die preußische Regierung aber hatte mit dieser Besetzung dez spanischen Thrones nichts zu thun gehabt. Offenbar wurde diese Sache in Paris nach jeder Richtung hin übertrieben. Die französische Anforderung an den König, daß er den Prinzen zur Ablehnung bestimmen solle, wies jener zwar als nicht geziemend zurück, als aber der Prinz aus eigenem Entschluß dem spanischen Thron entsagte, war König Wilhelm ganz einverstanden damit. Die Sache durfte als beigelegt angesehen werden. Aber in Frankreich glühte das Kriegsfeuer weiter; die Kriegspartei in den Tuilerieu drängle vorwärts. Der französische Gesandte in Berlin, Graf Benedetti, erhielt die Weisung, sich nach Ems zu begeben und von König Wilhelm zu verlangen, daß er sich in einem Schreiben an Napoleon Iii. verpflichten solle, niemals einzuwilligen, wenn jene Throncandidatur noch einmal auftauchen sollte. Der Gesandte erhielt am 13. Juli die Versicherung des' ^Königs, daß er die Verzichtleistung des Prinzen Leopold billige; jene Zumuthuug, mit welcher Benedetti sich zudringlich auf der Brunnenpromenade an den König drängte, wurde abgelehnt. Als der Gesandte einige Stunden darauf eine dritte Audienz erbat, um seine Forderung zu wiederholen, wurde er vom Könige nicht mehr empfangen, sondern durch den Flügeladjutanten darauf verwiesen, daß der König seinen Willen schon kundgegeben habe. Diese Zurückweisung wurde in Paris als eine Ehrenkränkung ' Frankreichs angesehen; die Aufregung stieg, ein lärmender Kriegstaumel ergriff das französische Volk. Die zur Besonnenheit mahnenden Stimmen wurden als unpatriotisch verhöhnt. Ollivier war, seiner früheren Ansicht entgegen, zur Kriegspartei übergegangen. In der sehr erregten Sitzung des gesetzgebenden Körpers am 15. Juli wurde der Krieg als entschieden angekündigt und die zur Führung desselben nöthigen Geldsummen bewilligt. Thiers stimmte dagegen, er sprach es offen aus, daß ihm dieser Krieg unüberlegt und verfrüht erscheine. „Ich bin gewiß," sagte der greise Staatsmann, „daß Sie eines Tages diese Ueberstürzung bereuen werden." Diese Rede, welche von den Ereignissen bald bestätigt wurde, trug viel zu der einflußreichen Stellung bei, welche Thiers im weiteren Verlauf dieser Dinge einnahm. Paris war, nachdem die Entscheidung bekannt wurde, leidenschaftlich erregt; Arbeiterschaaren aus der Vorstadt Belleville zogen unter dem Gesänge der lange ver-
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Extrahierte Ortsnamen: Weißenburg Paris Paris Frankreich Berlin Paris
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Neueste Geschichte. 3. Periode.
schwere Zeit zu erflehen. „Katholiken und Protestanten, Schriftgläubige und philosophische Köpfe — alle die zahllosen persönlichen Glaubensbekenntnisse, die das freie Geistesleben unseres Volkes mit edler Duldsamkeit umschließt, beugten sich andächtig vor der göttlichen Vernunft, die über den Schrecken und Nöthen dieser Tage sinnvoll waltet."
Vom 16. Juli ab hatte die Mobilmachung der deutschen Heerestheile begonnen, und so trefflich war alles gerüstet, so genau vorbereitet, daß nach eilf Tagen die Armeen kriegsfertig standen und nach weiteren acht Tagen an den Ufern des Rheins sich aufstellten. Mit staunenswürdiger Schnelligkeit und Sicherheit führten lange, unaufhörlich sich folgende Eisenbahnzüge die Truppen nach Westen hin. Sie wurden überall mit Begeisterung empfangen, und in dem Anblick dieser unermeßlichen Kriegerschaaren erhob sich im Volke die Hoffnung zur Gewißheit des Sieges. Es wurden drei Armeen gebildet: die erste, unter General Steinmetz, mit drei Armeecorps von Coblenz nach der Saar; die zweite, unter Prinz Friedrich Karl, mit sieben Corps von Mainz und Bingen nach der Saar; die dritte, unter dem Kronprinzen von Preußen, mit sechs Corps von Rastatt und Mannheim nach der Lauter hin. Bei der dritten Armee standen die süddeutschen Bundestruppen, Baiern, Württemberger und Badenser. Der Kronprinz war in München, Stuttgart und Karlsruhe mit der frischesten Begeisterung empfangen worden. Die Vertheidigung der norddeutschen Küsten gegen die französische Flotte wurde dem General Vogel v. Falkenstein anvertraut. Am Abende des 31. Juli verließ König Wilhelm, begleitet von Bismarck, Moltke und Roon, seine Hauptstadt; er hatte vor seiner Abreise eine Proclamation an sein Volk erlassen. Am 2. August traf er in Mainz ein und richtete hier eine Proclamation an das deutsche Heer. „Ich übernehme heut," so schloß er dieselbe, „das Commando über die gesammten Armeen und ziehe getrost in einen Kamps, den unsre Väter in gleicher Lage einst ruhmvoll bestanden. Mit mir blickt das ganze Vaterland vertrauensvoll auf euch. Gott der Herr wird mit unsrer gerechten Sache seilt."
Napoleon Iii. hatte einige Tage nach der Kriegserklärung die Sitzungen des gesetzgebenden Körpers geschlossen und in einer die Wahrheit stark entstellenden Proclamation an das französische Volk versucht, Preußen als die Macht anzuklagen, welche überall Mißtrauen erweckt, überall zu übertriebenen Rüstungen genöthigt und
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92 Neueste Geschichte. 1. Periode. Freiheitskampf.
nahmen für die kirchlichen Zwecke nicht nöthig waren, wurden für allgemeine Staatszwecke eingezogen, die öffentlichen Abgaben aber gleichmäßiger als bisher vertheilt. Um die Wünsche des Volks an den Thron gelangen zu lassen, wurde ferner eine Vertretung der einzelnen Provinzen angeordnet. Vor allem aber war das Augenmerk der Staatslenker auf die Begründung einer tüchtigen Wehrverfassung gerichtet, durch welche das preußische Volk in den Stand gesetzt werden sollte, das fremde Joch, wenn die Stunde geschlagen hätte, wieder abzuschütteln. Der wackere Scharnhorst, welcher sich von niederem Stande durch Talent und Tapferkeit bis zur Stelle eines Generals emporgearbeitet hatte, schuf in Gemeinschaft mit Gneisen au und Grolmann ein ganz neues Heerwesen, lange der Stolz und die Kraft Preußens, nun auch Deutschlands. An die Stelle der früheren Söldnertruppen trat die allgemeine Wehrpflicht aller dienstfähigen Söhne des Vaterlandes und die Schöpfung der Landwehr, durch welche es möglich wurde, trotz der Beobachtung der vorgeschriebenen Truppenzahl doch eine ungleich größere Anzahl wehrkräftiger Soldaten auszubilden, indem man immer einen Theil der jungen Mannschaft in den Waffen übte, sie dann entließ, um wieder andere an ihre Stelle treten zu lassen und für den Kriegsdienst zu bilden.
Dabei war man von oben her und durch allseitig verzweigte Verbindungen bemüht, den Geist der Freiheitsliebe gegen die Fremdherrschaft anzufachen, und durch das ganze preußische Volk hindurch war die Sehnsucht nach Abschütteluug des verhaßten Jochs verbreitet.
Kein Wunder, daß die Kunde von dem Ruin der napoleoni-schen Armee in Rußland die patriotische Hoffnung überall belebte; jetzt oder niemals mußte es gelingen, den Feind aus dem Vaterlande wieder zu vertreiben. Schon hatte der entschlossene General Iork, welcher die preußischen Hülfstrnppen gegen Rußland unter dem französischen Marschall Macdonald befehligte, auf eigene schwere Verantwortung hin eine Convention mit dem russischen General Diebitsch abgeschlossen. Zwar mußte ihn der König von Preußen, weil der aufgedrungene Bund mit Frankreich noch nicht gekündigt war, öffentlich deshalb tadeln; aber die Hoffnung der Vaterlandsfreunde, daß Iorks Schritt nur ein Vorbote wichtigerer Thaten der Befreiung sein würde, ging sehr bald durch des Königs eigenes ruhmvolles Beispiel in Erfüllung.
Mit frommer, gläubiger Begeisterung unternahm der König
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